In seinem Artikel „Trotz guter Leistungen abserviert“ schreibt Stephan Maaß am 20. Dezember 2012 in der WELT über den Einsatz des „Forced Ranking“ genannten Mitarbeiterbewertungssystems bei Yahoo.
Beim sogenannten „Forced Ranking“ wird pauschal davon ausgegangen, dass von 10 Mitarbeitern prinzipiell 2 Topleister sind, 1-2 „Underperformer“ und die restlichen solides Mittelfeld. Was ist aber, wenn die theoretische Annahme in der realen Welt nicht zutrifft? Was ist, wenn es in einem Team 3 Topperformer und keine Underperformer gibt? Was ist, wenn das ganze Team zusammen eine Spitzen-Leistung hingelegt hat? Egal, es müssen 1-2 ausgewählt werden, mehr oder weniger willkürlich, welche dann aktiv sanktioniert werden. Heißt: effektive Leistungsträger werden bestraft. Es wird absurderweise pauschal unterstellt, dass die 2-7-1 Grundverteilung immer existiert.
Nun ja, fast immer. Interessanterweise ist in Unternehmen, welche „Forced Ranking“ einsetzen, der Vorstand in der Regel ausgenommen … dort kann man mit den Underperformern offensichtlich besser leben.
„Forced Ranking“ belohnt alleine und ausschließlich die guten Selbstvermarkter. Ich stimme mit der Bewertung der Arbeitsrechtlerin Alexandra Henkel überein, die im WELT-Artikel wie folgt zitiert wird: „Diese Methode verleitet die Mitarbeiter […] auch, gegeneinander zu arbeiten, um in die höheren Bewertungsgruppen zu gelangen. Teilweise würden gute Beschäftigte versuchen, unter allen Umständen nicht mit anderen in einer Abteilung zu arbeiten, damit sie nicht Gefahr laufen, ungerecht einsortiert zu werden. […] Für das Gesamtergebnis dürfte das kaum positive Auswirkungen haben.“ Oder mit einem Dilbert ausgedrückt …

„Forced Ranking“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom damaligen General Electric CEO Jack Welch erfunden. Jack Welch geistert bis heute als sogenannter Management-Guru durch die einschlägige Literatur. Zumindest beim „Forced Ranking“ jedenfalls hat er richtigen Mist produziert. Über Studien und langjährige Praxisbeobachtungen wurden Fallstricke und kontraproduktiven Effekte von „Forced Ranking“ mittlerweile ausgiebig dargelegt. Dass es immer noch in namhaften Unternehmen zum Einsatz kommt, ist umso erschreckender.
Ich habe im Rahmen einer meiner beruflichen Positionen über mehrere Jahre eine realexistierenden „Forced Ranking“-Kulturaktiv erleben müssen. Ich war zwar selber nie negativ betroffen (Selbstvermarkter!), aber habe im meinem Umfeld leider beobachten müssen, welche fatale und negative Auswirkungen es in der Realität faktisch hat.
In Folge verließen über die Jahre hinweg viele frustrierte Leistungsträger das Unternehmen … und talentierte Selbstdarsteller etablierten sich oder wurden befördert.
„Forced Ranking“ scheitert, da es ein überholtes Relikt ist. Eine veraltete Methode aus dem vorigen Jahrtausend, die nicht mehr in das Portfolio modernen Leaderships und zu den aktuellen Herausforderungen im Kampf um die besten Köpfe passt. Mitarbeiter erwarten heute mehr von ihrem Unternehmen. Und vor allem die leistungsstarken Mitarbeiter erwarten, dass ihre Leistung individuell bewertet und gewürdigt wird. Und nicht nach einem willkürlichen und auf die Massen angewendeten Prozentsatz. Ich hatte in meinen Beiträgen „Die 10 grössten Irrtümer bei bonusgekoppelten Leistungsmanagementsystemen“ und „Was Mitarbeiter wirklich anspornt“ ja schon einmal meine persönliche Meinung zum Thema geäußert.
- „Wie Unternehmen die Underperformer aufspüren“ von Stephan Maaß, Online Version des DIE WELT-Artikels, 20.12.2013
- „Forced ranking is a relic of an HR tool“ von Andrew Hill, Financial Times Online, 16.07.2012
- „Forced Rankings Are Institutionalized Stupidity at Its Worst“ von Rob Enderle, CIO.com, 13.07.2012
- „Warum man Beurteilungsgespräche abschaffen sollte“, DIE WELT Online, 19.04.2016
- Blogpost „Die 10 grössten Irrtümer bei bonusgekoppelten Leistungsmanagementsystemen„
- Blogpost „Was Mitarbeiter wirklich anspornt„
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