In den Jahren als Mitarbeiter in der Zentrale eines internationalen Pharmaunternehmens tauchte immer wieder der Wunsch – nein: die Forderung – nach mehr unternehmerischem Denken. In allen Abteilungen, und auch bei jedem Einzelnen ganz persönlich. Unser CEO schrieb darüber in seinem Blog, und es wurde bei jeder Mitarbeiterumfrage danach gefragt.
Wir hatten damals im Konzern tatsächlich eine sehr unternehmerisch denkende und arbeitende Geschäftseinheit. Vielleicht nicht vollumfänglich, da das Team letztendlich in die vorhandenen Strukturen und Linien eingebunden war und sich nicht wirklich auf einem echten freien Markt bewähren musste. Doch unter gegebenen Rahmenbedingungen war das von der obersten Ebene geforderte unternehmerische Denken konkreter umgesetzt als ich es irgendwo anders hatte beobachtet können. Und vor allem wurde es real gelebt.
Diese Abteilung hatte kein Budget, sondern musste sich selber jedes Jahr neu über service level agreements (SLAs) finanzieren. Diese wiederum mussten von internen Kunden eingeworben werden, die man tagtäglich durch Leistung und produktiven Nutzwert überzeugt hatte. Dies war für das Team durchgehend ein enormer Ansporn, interne Dienstleistungen zu erbringen und weiterzuentwickeln, die ausschließlich am internen Kunden orientiert waren, tatsächlich gebraucht wurden und Produktivität und Effizienz real erhöhten. Fühlte sich für mich nach echtem unternehmerischen Denken an.
Ich denke schon, dass das Topmanagement eines Großkonzerns den berechtigten Wunsch nach mehr unternehmerischem Denken in den Abteilungen und durch jeden einzelnen Mitarbeiter hat. Ich wage allerdings auch zu behaupten, dass über den idealistischen Wunsch der Konzernführung hinaus, unternehmerisches Denken im real existierenden Geschäftsalltag in der Linie weder gewünscht noch von Vorteil ist.
Ist es nicht so, dass auf den mittleren und unteren Ebenen Management eher im Sinne von Verwalten, Aufrechterhalten, Eigensicherung, Kontrolle praktiziert wird? Unternehmerisches Denken und Handeln der Mitarbeiter kann dann als „Nachteil“ empfunden werden, denn es geht einher mit selbständigem Denken und Handeln, mit gestalterischen und Entscheidungsfreiräumen … und damit mit weniger Kontrolle. Neid spielt dabei übrigens auch eine sehr kontraproduktive Rolle. So werden unternehmerisch denkende, selbständigere Mitarbeiter oder Abteilungen leider oft nicht als Chance sondern im gegebenen Umfeld als Bedrohung und Hindernis empfunden.
Ende 2013 wurde die oben erwähnte, unternehmerisch arbeitende Abteilung von der eigenen Linie aufgelöst, da sie „nicht in das Gesamtkonzept der Geschäftseinheit passt“. Übrigens, gegen heftigen Widerstand und Beschwerden der Kunden im Unternehmen.
- siehe auch mein Beitrag „Führen Sie schon, oder managen Sie noch?„
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