Warnung: Harvard Business Review kann depressiv machen

Kennen Sie das Gefühl? Man liest gerade die neueste Ausgabe der „Harvard Management Review“ (HBR), bzw. der deutschsprachigen Ausgabe „Harvard Business manager“, und schon stellt sich eine enttäuscht-schwermütige Grundstimmung ein.

Denn ausgehend von dem, was ich vom Arbeitsalltag vieler Kollegen in größeren Unternehmen höre, scheint es eine riesige klaffende Lücke zwischen Anspruch (in Gestalt moderner Managementmethoden)  und alltäglicher Managementpraxis zu geben. Das kann schon deprimieren, wenn man einerseits in Zeitschriften wie der HBR liest, wie es sein sollte, zumindest, wie es sein könnte, … und gleichzeitig im echten Leben das totale Gegenteil erleben – und manchmal ertragen – muss. Da wäre ein Hinweis nach dem Muster „Warnung: Das Lesen dieser Zeitschrift kann depressiv machen“ durchaus überlegenswert.

Ja klar. Natürlich ist auch in der HBR nicht alles Gold was glänzt. Selbstverständlich hat es auch dort immer wieder Beiträge, in denen regelrechter Unsinn steht. Dei HBR ist schließlich keine Bibel, sondern auch eine Art Diskussionsforum für Ideen und neue Konzepte. Einiges ist auch sehr theoretisch. Und nicht alles, was in  in einer Branche oder einem bestimmten Unternehmen funktioniert hat, kann verallgemeinert werden.

Aber … ich muss ehrlich zugeben, dass viele Dinge, die ich dort lese, für mich wirklich Hand und Fuss haben, Sinn  machen, plausible sind. Meine besondere Aufmerksamkeit haben beispielsweise Artikel zu dem Themenkreis Führung. Und da gibt es – zumindest meiner Meinung nach – sehr vieles gutes, das dort geschrieben wird. Aus der Praxis für die Praxis. Oft bewährt und immer exemplarisch aufbereitet.

Doch irgendetwas läuft schief. Entweder werden diese Artikel nicht wirklich von den ganzen Leute gelesen, welche sich mit der HBR als Standardlektüre brüsten. Oder das gelesene geht auf dem Weg zum Hirn irgendwo verloren. Oder spontan-amnestisch  gleich wieder vergessen. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, immer wieder hören oder erleben zu müssen, wie sich nicht wenige Manager und Managerinnen so völlig konträr zu den Inhalten der in HBR publizierten modernen Methoden verhalten. Einen ähnlichen Effekt habe ich übrigens auch schon bei Managementtrainings beobachtet. Den totalen Gegensatz zwischen im Training gelernten Führungsmethoden, und realem Verhalten in der Funktion. Falls Ihnen das nicht fremd sein sollte, bitte erwarten Sie keine Erleuchtung von mir. Ich habe bisher noch nicht heraus, woran das liegen könnte. Wie schon gesagt, spontane retrograde Amnesie ist momentan mein Favorit.

Was kann ich tun? Nun, zuallererst bei mir selber anfangen, dass ich nicht – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – dem selben Schema folge.  Die HBR zu lesen und dann nichts daraus zu machen, ist ohnehin so etwas von ineffizient und unproduktiv, das wäre eines erfolgreichen und guten Managers keinesfalls würdig. Und darüber hinaus funktionieren viele Dinge, die man dort lernen kann, auch einfach. Ich habe also einen echten, realen Nutzen davon, wenn ich nicht nur HBR-Leser bin, sondern HBR-Umsetzer. Ja, es ist eine gute Sache, permanent an sich zu arbeiten. Die eigene Führungspraxis immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen, von Anderen zu lernen, eigene Gewohnheiten zu verändern wenn notwendig oder hilfreich. Nicht nur lesen und sich damit brüsten, sondern verdauen und umsetzen. Sich aktiv weiterentwickeln.

Ich schlage daher einen neuen Warnhinweis für den „Verzehr“ der HBR vor: „Warnung: Das Lesen dieser Zeitschrift kann eine Veränderung ihrer Managementgewohnheiten und persönliche Weiterentwicklung verursachen!“ Und im Ergebnis auch mehr Erfolg.

 
 
First publication by VELTENSicht blog

2 Kommentare zu „Warnung: Harvard Business Review kann depressiv machen

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  1. „Den totalen Gegensatz zwischen im Training gelernten Führungsmethoden, und realem Verhalten in der Funktion.“

    Nun, das liegt doch auf der Hand. Der Trainer (meistens ja ein Externer) zeichnet ein Wunschbild. Die Führungskraft oder generell der Manager ist aber immer auch Kind der Firmenkultur im Speziellen und der landeseigenen Unternehmenskultur im Allgemeinen (man denke da nur an die kulturellen Unterschiede bei Frauen in Führunspositionen zwischen Skandinavien und Deutschland). Solange die eigene Firma nicht den neuen Methoden offen gegenübersteht oder sie gar aktiv forciert, wird man sehr, sehr schnell wieder in sein alten Muster zurückfallen.

    Am Ende gewinnt immer das System. 🙂

    Das erlebe ich in der IT doch ständig: wir definieren wunderbare Entwicklunsprozesse, mit saubern Statusübergängen, Dokumentation und schlachmichtot. In der Realität muss es dann doch immer schnell gehen. Dokumentiert wird dann im Nachhinein (wenn überhaupt).

    Das erste was in einem Entwicklungsprozess steht ist der Endtermin. Und das ist auch das einzige was nie geändert wird.

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