Führen Sie schon, oder managen Sie noch?

Ich kann mich noch gut an die intensiven Diskussionen erinnern, die zu meiner aktiven Zeit in der Jugendarbeit mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit aufkamen. Bei Ausbildungskursen für Nachwuchskräfte ging es darum, ob man „Leiter“  oder „Führer“  einer Jugendgruppe sei. Vor allem die jungen Nachwuchsgruppenleiter hatten Probleme damit, als „Führer“ bezeichnet zu werden. Die notwendige schulische Aufarbeitung der Nazi-Zeit lies grüßen.

Damals setzte ich mich bereits vehement für die Beibehaltung des in unserer Organisation bevorzugten und verwendeten Begriffes „Führer“ ein, und stritt leidenschaftlich intern, aber auch nach Außen dafür. Ich wollte wiederum gerade kein „Leiter“ sein. Aber sind das nicht semantische Spitzfindigkeiten, werden Sie womöglich denken? Ich denke nein, und will das auch begründen.

Was löst die Bezeichnung „Leiter“ bei mir aus? Ein Leiter leitet eine Gruppe, organisiert, gibt vor, leitet an. Ein Gruppenleiter bereitet ein Programm für die Gruppenstunde oder eine Freizeit vor, welches er abspult und kontrolliert. Der Leiter einer Gruppe ist der Dreh- und Angelpunkt. Der große Organisator. Alle anderen können sich darauf verlassen, dass er sich kümmert, und sie sich be-spaßen lassen dürfen. Ohne den Leiter (bzw. die Leiterin) geht nichts.

Der Anspruch des „Führers“ ist dagegen in meinem Verständnis ein anderer. Wer führt, kontrolliert nicht, sondern lässt los. Ein Führer geht vor, er hat Wissen und Erfahrung, und er hat einen Plan. Er hält die Gruppe zusammen und fordert Engagement ein. Er gibt aber auch Freiraum, er zeigt Optionen, er gibt sein Wissen und seine Erfahrungen weiter, er unterstützt Selbstinitiative und Eigenverantwortung. Er fördert durch Fordern. Er leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Denn wenn er seinen Job gut gemacht hat, kann die Gruppe auch ganz ohne ihn selbständig weitergehen und operieren. Das ist sein Auftrag und sein Ziel.

Natürlich habe ich das jetzt etwas überspitzt und polarisiert dargestellt. Letztendlich hat es weniger mit Begriffen sondern mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. So kann auch ein genannter „Gruppenleiter“ ein sehr guter Führer sein. Mir ging es damals wie heute vielmehr darum, Sensibilität zu wecken, überhaupt erst einmal auf die Unterschiede aufmerksam zu machen. Und die teilweise kontroversen Diskussionen bestätigten mich darin, daß konkreten Bezeichnungen dann doch wieder nicht egal sind.

Ich stehe bis heute dazu, und übertrage überzeugt dieses Konzept von der Jugendarbeit auf die Business-Welt. Zu Recht wird im Englischen weniger vom „director“ oder „conductor“ gesprochen, sondern vom „leader“ und „leadership“ (was zwar oberflächlich nach „Leiter“ aussieht, und doch inhaltlich mehr für „Führer“ steht). Nein, ich will kein Leiter sein, kein reiner Manager, oder Director. Es war für mich immer ein erstrebenswertes Ziel, ein guter Führer zu werden und zu bleiben.

Und was ist mit Ihnen? Führen Sie schon, oder managen Sie noch?
 
 
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