Die Nadel im Heuhaufen

Informationssuche und -verwertung im Onlinezeitalter

Wissenschaftler und Unternehmer haben auf jeden Fall eine Sache gemeinsam. Der Erfolg ihrer Arbeit hängt ab von kompetenten und zuverlässigen Informationen. Und so sollte es beiden im Moment eigentlich sehr gut gehen, denn noch nie waren so viele Informationen verfügbar wie in der modernen Onlinewelt. Was jedoch tatsächlich folgt, ist ein großes und langes »Aber«.

Mit der Expansion des Internets, welches immer mehr Menschen und immer mehr Lebensbereiche erreicht, stehen uns rund um die Uhr an jedem Ort mit Onlinezugang schier unglaubliche Mengen an Informationen aller Themenbereiche zur Verfügung. Dazu kommen noch professionelle (und kostenpflichtige) Datenbankhosts wie beispielsweise DIALOG, DIMDI, FIZ Technik, GBI, Genios und STN. Von der steigenden Anzahl an Printpublikationen gar nicht zu reden.

Doch bei aller Begeisterung über die Informationsvielfalt darf nicht vergessen werden, daß die begleitende Informationsfülle viele Probleme verursacht. Die Menge an verfügbaren Informationen verlangt effektive Mechanismen zur Informationsfindung genauso wie zur Informationsverwaltung. War es früher ein mühseliges Unterfangen, überhaupt Informationen zu erlangen, so ist es heute eine Herausforderung, aus dem riesigen Pool vorhandener Informationen die relevanten herauszufiltern. Technische Hilfen gibt es zahlreiche, seien es umfangreiche Retrievalsprachen bei den Hosts (z.B. Messenger), oder in Form von algorithmischen Suchroutinen. Doch auch hierbei ist nicht immer klar, ob diese Funktionen – gerade bei ungeübter Anwendung – wirklich eine Hilfe sind. Jeder, der schon einmal an den Ergebnissen von AltaVista und Co. verzweifelt ist, weiß wovon die Rede ist.

Wo liegt die Lösung des Problems? Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten:

  • die Nutzung der Dienste von Informationsvermittlern (Infobroker), die professionell und kompetent im Kundenauftrag recherchieren,
  • der Besuch von Weiterbildungskursen im Themenfeld Informationsbeschaffung und Datenbankbenutzung (z.B. für Retrievalsprachen),
  •  die Entwicklung persönlicher Suchstrategien.

Informationsvermittler sind Informationsprofis, die entweder als Mitglied einer unternehmensinternen Rechercheabteilung oder als unabhängige Dienstleister Informationen recherchieren, aufbereiten und präsentieren. Es handelt sich hierbei um einen Dienstleistungsbereich, der – obwohl er schon viele Jahre existiert – relativ unbekannt ist. Bei der Nutzung der Dienste eines Informationsvermittlers wird auf Seriosität und Professionalität geachtet, denn Information ist Vertrauenssache. Schließlich hängen gerade im unternehmerischen Bereich wichtige strategische Entscheidungen von den vorhandenen Informationen ab. Die Mitgliedschaft in einem der großen Fachverbände, der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) oder der Association of Independent Information Professionals (AIIP), ist zumindest ein guter Hinweis, daß man es mit einem zuverlässigen Partner zu tun hat. Diese Organisationen entwickeln verbindliche Verhaltenskodizes und Zertifizierungen für ihre Mitglieder.

Der Besuch von Weiterbildungskursen empfiehlt sich vor allem, wenn die bereits erwähnten Datenbankhosts genutzt werden sollen. Diese sind zwar inzwischen auch über WWW-Seiten zu erreichen und verfügen dort über Eingabemasken. Doch ermöglichen meist erst die komplexen Retrievalsprachen eine effiziente Suche.

Unabhängig von der genutzten Quelle ist die Etablierung persönlicher Suchstrategien eine Notwendigkeit, um erfolgreich recherchieren zu können. Dabei ist die eigentliche Suche, sprich die Benutzung der Informationsdatenbanken, das kleinste Teil. Eine Suchstrategie gliedert sich in vier Hauptstufen.

  1. Die Entwicklung einer Fragestellung. Die Grundlage jeder erfolgreichen Recherche. Was suche ich eigentlich? Das ist oft etwas ganz anderes, als man im ersten Moment ausformuliert. Meist soll am Ende eine Problemlösung stehen, und diese muß bewußt gemacht werden. Quasi als Nebenprodukt dieses Prozesses ergeben sich die Suchbegriffe, mit denen man später arbeiten will.
  2. Die Wahl der richtigen Quelle. Wo finde ich das, was ich suche, am Besten? Und mit welcher Quelle ist meine Suche am effektivsten? Manches findet sich schneller bei den Hosts, auch wenn es unter Umständen ein paar Mark kostet. Dies rechnet sich dann schnell, wenn man die Arbeitszeit von mehreren Stunden gegenüber stellt, die für eine Internetrecherche gleicher Qualität entstehen können. Die Schwierigkeit bei der Wahl der Quelle ist, die möglichen Quellen überhaupt zu kennen. Im Kasten ist eine kleine Auswahl verfügbarer Datenbanken im Bereich Biotechnologie zusammengestellt.
  3. Die Recherche. Bisher gibt es leider noch keine funktionierenden  intelligenten Recherchesysteme, die Ihnen die ganze Arbeit abnehmen – auch wenn das Gegenteil hartnäckig verbreitet wird. Eine erfolgreiche Suche setzt immer noch voraus, daß der Suchende die Techniken kennt und beherrscht, welche Suchfunktionen und Datenbanken zur Verfügung stellen. Und leider gibt es hierfür auch noch kein einheitliches System. Heißt: man ist unter Umständen von Suchroutine zu Suchroutine mit sehr unterschiedlichen Befehlssätzen konfrontiert, die aber – endlich auch einmal etwas positives – im Grunde immer sehr ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Ein Beispiel wären logische Operatoren (AND, OR, NOT), die durch die Kombination von Begriffen eine höhere Spezifizität und Eingrenzung von Suchen erlauben.
  4. Die Auswertung der Rechercheergebnisse. Die Auswertung wird meist völlig unterschätzt und vernachlässigt. Dabei geht es nicht nur um eine reine Bestandsaufnahme, sondern auch um eine Bewertung der Quellen. Habe ich gefunden, was ich gesucht habe? Welche Quelle war effizient, welche weniger? Welche Quelle ist vertrauenswürdig, welche nicht? An diesem Punkt schadet auch eine kleine Rekapitulation der Rechercheprozedur nicht. Wieviel Zeit wurde investiert? Stehen Kosten und Nutzen in einer vernünftigen Relation? Wo lagen die Probleme bei der Recherche? Wo sind Defizite, was sollte etabliert werden?

Sind alle diese Hürden erfolgreich gemeistert, hat man den sicheren Hafen noch lange nicht erreicht. Es folgt die Aufgabe, ermittelte Informationen unternehmensintern bzw. in die eigenen Arbeitsabläufe zu integrieren. Diese Thematik umreißt das Stichwort »Informationsmanagement«, worauf einzugehen, diesen Rahmen sprengen würde.

Ein Ende der Informationsschwemme ist kaum abzusehen. Aktuelle Entwicklungen scheinen diese Entwicklung nicht aufzuhalten, sondern noch zu fördern. Dabei sind moderne und zukunftsorientierte Unternehmen auf kompetente und zuverlässige Informationen angewiesen. Es sollte daher jede Möglichkeit genutzt werden, um die Recherche benötigter Informationen zu optimieren und damit Kosten zu reduzieren. Aber auch für Informationen gilt: Qualität gibt es selten umsonst.

 
 
Erstveröffentlicht im Juni 1999 durch BIOforum.

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